An einem magischen Ort: Jeder Blick ein Motiv!
Kuntsprojekt der Oberschule Elstal im Garten der Kulturmühle Perwenitz
„Frau Menzel! – Wir gehen von hier nicht mehr weg!“ Erklärte freimütig und im vollen Ernst die Neuntklässlerin Sandra von der Oberschule Elstal ihrer Kunstlehrerin.
Dass Schüler ihre Schule gegen einen anderen Ort liebend gerne eintauschen, überrascht kaum. Dass sie aber an diesem anderen Ort noch mit Spaß und Freude arbeiten und ihn gar nicht mehr verlassen wollen, dass lässt doch aufhorchen.
Der Grund hierfür liegt eben an dem Austragungsort des alljährlich in Klasse 9 im Rahmen des Wahlpflichtbereiches II durchgeführten Kunstprojektes, an der Kulturmühle in Perwenitz, mit welcher seit nunmehr zwei Jahren ein Kooperationsvertrag besteht und gepflegt wird.
Dieses Jahr meinte es das Wetter gut mit den Oberschülern. Eine stabile Hochdruckwetterlage sorgte für brillanten Sonnenschein und verwandelte das alte, seit der Wende fast schon dem Verfall preisgegebene Industriegebäude in eine geheimnisvolle Burganlage, wo jeder Winkel
die Fantasie zu einer geheimnisvollen Reise einlädt.
Das Wetter, das altehrwürdige Gemäuer, das seit 1997 von einer Künstlergruppe unter der Leitung von Gudrun Venter und Susanne Pommeranz genutzt und vor dem gänzlichen Verfall mit hohem persönlichen Engagement bewahrt wird, ist das eine. Das andere, was die Fantasie der Schüler nachhaltig beflügelte, war das großzügige Gartengelände, das den grauen Industriebau wie einen üppig blühenden Zaubergarten umschließt.
Die Pfingstrosen standen satt in Blüte, dann kleine Abkömmlinge von Sonnenblumen, dazwischen in kleinen Kolonien die Mohnblumen, dazwischen Kräuterpflanzen, hin und wieder das hauchfrische Blau der Kornblumen. Wohin man auch schauen mochte, es bot sich dem Betrachter ein Motiv für ein Foto: Eine Landschaft, angefüllt mit Inspiration.
An diesem 30. Mai war das Licht ungewöhnlich transparent. Die alten Impressionisten, die die französische Kanalküste bei Fécamp zum Beispiel aufsuchten wegen des dort vorzufindenden einzigartigen Lichtes, hätten heute in Perwenitz ihre helle Freude gehabt.
Aufgrund dieses glücklichen Umstandes war es keine Frage, ob die Projektgruppe im Atelier oder in der inspirierenden Gartenlandschaft arbeiten sollte. Schnell waren Tische und Bänke ins Freie geschafft, dann erfolgte die Einweisung in das Projektthema.
Wochen zuvor hatte Frau Menzel mit Frau Venter das Projekt vorbereitet. Als Grundlage der Projektarbeit sollte eine Auseinandersetzung mit dem Werk und den Techniken des amerikanischen Künstlers Keith Haring (geboren 1958 in Reading, Pennsylvania, gestorben 1990 in New York an AIDS) dienen. Seine Bilder und Graphiken sind von der Graffiti-Kunst geprägt. Seine Figuren erinnern an comicartige Stilisierungen. Was seine Bilder jedoch besonders auszeichnet, das ist ein hohes Maß an Dynamik. Bewegung im zweidimensionalen Rahmen überzeugend dazustellen, das ist schon eine Herausforderung, und genau darin bestand auch eine Aufgabe für die Projektteilnehmer. Sie sollten die Beziehungen zwischen den Objekten und ihren selber gestaltete Figuren darstellen und die entstehende Dynamik, die dieser Inbezugsetzung innewohnen könnte, verbildlichen.
Dabei darf die Schlichtheit der stilisierten Figuren nicht über den hohen Schwierigkeitsgrad der Aufgabe hinwegtäuschen! Als eine weitere Dimension wölbte sich über das Beziehungsgefüge Mensch/Figur versus Objekte die Ebene des Farbkosmoses: In welcher Farblandschaft bewegen sich Figuren und Objekte?
Gemalt wurde auf mit Leinwand bespannten Holzrahmen mit Dispersionsfarbe, was an diesem sonnigen Frühlingstag nicht ganz unproblematisch war, weil die Farbmischungen im Handumdrehen eintrockneten. Das beeinträchtigte die Montagsgruppe jedoch keinesfalls.
Was den schier paradieshaften Charakter der Örtlichkeit und die ausgelassene Laune der Projektteilnehmer noch weiter steigerte, war die Mittagspause, in der – wie konnte es auch bei diesem Wetter anders sein – leckere Würste im Freien gegrillt wurden.
Am Ende des Tages bauten die Oberschüler sichtlich befriedigt ihre Bilder vor einem mächtigen Holzstoß auf und ließen sich ganz entspannt mit ihren Kreationen ablichten.
Als die Zeit zum Abschiednehmen anbrach, blickten die Schüler wehmütig zum Garten zurück. Irgendwie hatte alles gestimmt: Ort, Zeit und das Personal. Dann das Wetter, die kreative Tätigkeit: Ein Tag zum glücklich sein. Das Wunderbare: Am nächsten Tag wiederholte sich der Zauber des Vortages, und die zweite Projektgruppe, bestehend aus den Schülern der Klasse 9b und 9c gestanden sich wie ihre Kollegen vom Montag ein, dass sie der Kulturmühle in Perwenitz nur ungern den Rücken kehren wollen.
Mag der kritische Leser nun einwenden, dass wohl die meisten Berichte über Schulaktionen naturgemäß wenig objektiv und geschönt sind. Wohlan! Was schmälert es das fast schon euphorisierende Erlebnis, wenn nicht unerwähnt bleibt, dass die Jungen gegen Mittag die Lust am Arbeiten verloren hatten und größere Lust am Hetzen von einigen Schafen fanden, die auf einer ausgedehnten Weide auf dem Gartengrundstück standen. Am Ende präsentierten auch diese „Helden“ ihre Ergebnisse. Und nun lieber kritische Leser: Solltest Du noch immer mit der Glaubwürdigkeit dieses Berichts ein Problem haben, dann halte Dich an die beigefügten Fotos und verschaffe Dir selber einen Eindruck von den beiden Projekttagen! Du wirst bald einsehen: Alles echt!
Elstal, 14. Juli 2011
G. Stängle